Zehn Gedichte über Tod und Trauer
Viele Dichter haben über die Jahrhunderte Gedanken zum Thema Sterben gemacht und einfühlsame Zeilen verfasst.

Der Schmerz über den Tod eines geliebten Menschen ist eines der stärksten Gefühle überhaupt und hat schon viele Dichter zu tiefgründigen und bewegenden Versen inspiriert. Quelle: 123rf.com / Foto: librakv
Er ist nun frei und unsere Tränen wünschen ihm Glück“ schrieb der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe mit 23 Jahren in einem Brief an seine Großmutter, um ihr sein Beileid zum Tode ihres Ehemanns, also seines Großvaters, auszudrücken. Über die Jahrhunderte haben auch zahlreiche andere Poeten und Dichter eingängige Verse zu den Themen Sterben, Tod, Trauer verfasst. Hier sind zehn der eindrucksvollsten.
Die zehn eindrucksvollsten Verse zu Sterben, Tod und Trauer
Der du von dem Himmel bist,
Alles Leid und Schmerzen stillest,
Den, der doppelt elend ist,
Doppelt mit Erquickung füllest,
Ach, ich bin des Treibens müde!
Was soll all der Schmerz und Lust?
Süßer Friede,
Komm, ach komm in meine Brust!
Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
Wie wenn das Leben wär nichts andres
Als das Verbrennen eines Lichts!
Verloren geht kein einzig Teilchen,
Jedoch wir selber gehn ins Nichts!Denn was wir Leib und Seele nennen,
So fest in eins gestaltet kaum,
Es löst sich auf in Tausendteilchen
Und wimmelt durch den öden Raum.Es waltet stets dasselbe Leben,
Natur geht ihren ew’gen Lauf;
In tausend neuerschaffnen Wesen
Stehn diese tausend Teilchen auf.Das Wesen aber ist verloren,
Das nur durch ihren Bund bestand,
Wenn nicht der Zufall die verstäubten
Aufs neu zu einem Sein verband.
Theodor Storm (1818-1888)
Der du meine Wege mit mir gehst,
Jede Laune meiner Wimper spürst,
Meine Schlechtigkeiten duldest und verstehst –
Weißt du wohl, wie heiß du oft mich rührst?Wenn ich tot bin, darfst du gar nicht trauern.
Meine Liebe wird mich überdauern
Und in fremden Kleidern dir begegnen
Und dich segnen.Lebe, lache gut!
Mache deine Sache gut!
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
Einmal müssen zwei auseinandergehn;
einmal will einer den andern nicht mehr verstehn – –
einmal gabelt sich jeder Weg – und jeder geht allein –
wer ist daran schuld?Es gibt keine Schuld. Es gibt nur den Ablauf der Zeit.
Solche Straßen schneiden sich in der Unendlichkeit.
Jeder trägt den andern mit sich herum –
etwas bleibt immer zurück.Einmal hat es euch zusammengespült,
ihr habt euch erhitzt, seid zusammengeschmolzen, und dann erkühlt –
Ihr wart euer Kind. Jede Hälfte sinkt nun herab –:
ein neuer Mensch.Jeder geht seinem kleinen Schicksal zu.
Leben ist Wandlung. Jedes Ich sucht ein Du.
Jeder sucht seine Zukunft. Und geht mit stockendem Fuß,
vorwärtsgerissen vom Willen, ohne Erklärung und Gruß
in ein fernes Land.
Kurt Tucholsky (1890-1935)
Wie hab ich das gefühlt, was Abschied heißt.
Wie weiß ich’s noch: ein dunkles unverwundnes
grausames Etwas, das ein Schönverbundnes
noch einmal zeigt und hinhält und zerreißt.Wie war ich ohne Wehr, dem zuzuschauen,
das, da es mich, mich rufend, gehen ließ,
zurückblieb, so als wären’s alle Frauen
und dennoch klein und weiß und nichts als dies:Ein Winken, schon nicht mehr auf mich bezogen,
ein leise Weiterwinkendes –, schon kaum
erklärbar mehr: vielleicht ein Pflaumenbaum,
von dem ein Kuckuck hastig abgeflogen.
Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Abschiednehmen ist das Schwerste. Nie
kommt die Stunde wieder, so wie sie
dir begegnet ist, da sie begann,
die in ihrem steten Lauf verrann.Nie verrät sie, was sie wirklich will.
Aber manchmal wendet sie sich still,
und es ist dir dann, weil sie entglitt,
so als nehme sie das Ganze mit.
Richard von Schaukal (1874-1942)
Trennung ist unser Los,
Wiedersehen ist unsere Hoffnung.
So bitter der Tod ist,
die Liebe vermag er nicht zu scheiden.
Aus dem Leben ist er zwar geschieden,
aber nicht aus unserem Leben;
denn wie vermöchten wir ihn tot zu wähnen,
der so lebendig unserem Herzen innewohnt!
Augustinus (354-430)
Der Tod ist nichts,
ich bin nur in das Zimmer nebenan gegangen.
Ich bin ich, ihr seid ihr.
Das, was ich für euch war, bin ich immer noch.
Gebt mir den Namen, den ihr mir immer gegeben habt.
Sprecht mit mir, wie ihr es immer getan habt.
Gebraucht keine andere Redeweise,
seid nicht feierlich oder traurig.
Lacht weiterhin über das,
worüber wir gemeinsam gelacht haben.
Betet, lacht, denkt an mich,
betet für mich,
damit mein Name ausgesprochen wird,
so wie es immer war,
ohne irgendeine besondere Betonung,
ohne die Spur eines Schattens.
Das Leben bedeutet das, was es immer war.
Der Faden ist nicht durchschnitten.
Weshalb soll ich nicht mehr in euren Gedanken sein,
nur weil ich nicht mehr in eurem Blickfeld bin?
Ich bin nicht weit weg,
nur auf der anderen Seite des Weges.
Henry Scott Holland (1847-1918)
Immer enger, leise, leise,
Ziehen sich die Lebenskreise,
Schwindet hin, was prahlt und prunkt,
Schwindet Hoffen, Hassen, Lieben,
Und ist nichts in Sicht geblieben
Als der letzte dunkle Punkt.
Theodor Fontane (1819-1898)
Auf die düstern Kiefernhügel
legt sich kupfern letzte Sonne…
Sanft wie über weichen Sammet
schmeicheln Winde drüber hin…
Eine kurze Spanne weilt sie
goldbraun auf den stillen Wäldern,
bis ihr milder, süßer Schimmer
plötzlich, wie ein Lächeln, stirbt.
Christian Morgenstern (1871-1914)
Die Hoffnung ist wie ein Sonnenstrahl,
der in ein trauriges Herz dringt.
Öffne es weit und lass sie hinein.
Christian Friedrich Hebbel (1813-1963)
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