Volkstrauertag – Tag des stillen Gedenkens
Mehr als 100 Jahre nach Ende des ersten Weltkriegs ist das Gedenken an die Gefallenen aktueller denn je.
Aktuell werden die Top Ten des Streamingsdienstes Netflix von dem Weltkriegsepos „Im Westen nichts Neues“ angeführt. Der ersten deutschen Verfilmung des weltberühmten Romans von Erich Maria Remarque, für den er 1931 für den Nobelpreis nominiert wurde. Der Film erinnert an eine der tragischsten Episoden der deutschen Geschickte, ebenso wie in jedem Jahr der Volkstrauertag.
Jedes Jahr am zweiten Sonntag vor dem 1. Advent wird in Deutschland der Volkstrauertag begangen. Um Sinn und Bedeutung des Tages und das gewählte Datum genauer zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf seine Geschichte und Entwicklung.
Die Geschichte des Volkstrauertags
Die Idee für einen Volkstrauertag kam durch den 1919 gegründeten ‚Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge‘. Das Motiv für die Schaffung eines solchen Gedenktags war das Setzen eines Zeichens der Solidarität von Unbetroffenen mit Hinterbliebenen gefallener Soldaten im Ersten Weltkrieg, der ein Jahr zuvor endete. In seiner Grundidee sollte der Tag eine nicht befohlene Trauer um die Kriegstoten darstellen. Mit einer eindrucksvollen Rede vom damaligen Reichstagspräsidenten Paul Löbe fand im Jahr 1922 die erste offizielle Feierstunde in Berlin im deutschen Parlament statt.
Wurde der Volkstrauertag in den kommenden Jahren zur Erinnerung an die Gefallenen und als Aufruf zur Versöhnung begangen, erließen die Nationalsozialisten 1934 ein Gesetz, das diesen, bis zu diesem Zeitpunkt Gedenktag, zum staatlichen Feiertag deklarierte und benannten ihn in „Heldengedenktag“ um. Ablauf und Inhalt standen bis zum Jahr 1945 unter der Kontrolle von Wehrmacht und der NSDAP, was jedoch an der ursprünglichen Sinngebung nur wenig zu ändern vermochte, auch wenn die Nazis das Totengedenken in eine Heldenverehrung umändern wollten. Trotz viel Propaganda an und um den Tag herum stand die Trauer um die Toten weiterhin im Mittelpunkt.
Nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs und der erneuten Trauer um unzählige Soldaten und zivile Opfer, wurde der Ruf um eine Wiederkehr des Trauertages laut, sodass dieser im Jahr nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1950 erneut vom Volksbund als Gedenktag eingeführt wurde. Nunmehr im stillen Gedenken an die Opfer beider Weltkriege und der Gewaltherrschaft. Gesetzlichen Schutz durch die Bundesländer findet der Volkstrauertag seit 1990.
Wurde der Tag zunächst in die Passionszeit gelegt, einigten sich Bund und Länder nun auf eine Verlegung auf den vorletzten Sonntag des Kirchenjahres und somit in die stille Zeit.
Das Zeremoniell am Volkstrauertag
Nach einer traditionell stattfindenden Gedenkstunde im Bundestag, mit offiziellem Totengedenken und Abspielen der Nationalhymne, werden in einer schlicht gehaltenen Zeremonie durch den Bundespräsidenten und Vertreter anderer Verfassungsorgane Kränze in der ‚Neuen Wache Berlin‘ niedergelegt. Diese gilt seit 1993 als zentrale Gedenkstätte. Zudem finden regional viele Veranstaltungen an diesem Tag zum Mahnen und Trauern statt.
Um der Toten zu gedenken, wird bundesweit die deutsche Flagge an öffentlichen Gebäuden und Plätzen auf halbmast gehisst. Zudem ist der Volkstrauertag ein Tag der Mahnung zu Frieden und Versöhnung.
Mit zunehmendem Abstand zu den beiden Kriegen wird seither eine Woche vor dem Totensonntag neben den Kriegsgefallenen mehr und mehr allen Toten gedacht und getrauert. So gibt es neben den offiziellen Gedenkstunden vielerorts Infoveranstaltungen und Bildungsangebote, die sich mit dem Thema Tod im Allgemeinen, aber auch mit dem Umgang mit Trauer und Trauernden sowie den Folgen von Kriegserfahrung beschäftigen.
Was ist verboten und was ist erlaubt?
Zwar bestimmen die einzelnen Bundesländer Feiertagsregeln selbst und durchaus unterschiedlich, jedoch gelten Sonntage und somit auch gesetzliche Feiertage offiziell laut Grundgesetz als ‚Tage der Arbeitsruhe‘ und stehen unter besonderem Schutz. Das Gesetz betrifft sowohl kirchliche Feiertage als auch verschiedene Gedenktage. Da besonders der Volkstrauertag als stiller Gedenktag gilt, man den Verstorbenen Respekt entgegenbringt, in dem man an sie denkt und laute Musik sowie feiernde Menschen nicht angebracht sind, gilt an diesem Tag ein Tanzverbot. Diskotheken und Clubs haben an diesem Tag deshalb auch geschlossen. In Bars und Kneipen wird leisere Musik gespielt und es darf nicht getanzt werden. Das Verbot gilt zum Beispiel auch für Sport- und Großveranstaltungen, Theater und Bühnenshows, Konzerte, Volksfeste, Zirkusaufführungen und Musik- und Unterhaltungsdarbietungen, sofern sie keinen religiösen oder weihevollen Hintergrund haben. Autowaschanlagen, Fahrschulen bleiben an diesem Tag genauso geschlossen, wie Spielhallen, Casinos und Wettbüros. In manchen Bundesländern sind selbst Wohnungsumzüge nicht erlaubt.
Wie wird der Volkstrauertag begangen?
Trauer kann man nicht vorschreiben und sie ist in Deutschland auch nicht geregelt. Weltweit gibt es sehr unterschiedliche Formen des Umgangs mit Trauer, was sowohl regionale als auch traditionelle und religiöse Gründe hat. Wohingegen in Südafrika tagelang ausschweifend gefeiert wird, verzichten Trauernde im Judentum die ersten 30 Tage nach dem Tod eines Familienmitglieds auf Tanz, Theater, Fernsehen und Kino. Gibt es in anderen Kulturen knallbunte Trauerkleidung, die an das Leben des Verstorbenen erinnern sollen, bedient man sich hierzulande eher gedeckter Farben, vorzugsweise schwarz.
So unterschiedlich der Umgang mit Trauer je nach Herkunft ist, so individuell muss man dieses Thema betrachten. Denn Trauern ist etwas sehr Persönliches. Nicht nur, dass die einzelnen Phasen des Trauerns bei jedem anders lang sein können, auch der Wunsch nach Gesellschaft oder Abgeschiedenheit und Alleinsein ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Auch spielt eine entscheidende Rolle, ob man bereits geliebte Menschen verloren hat oder nur stellvertretend Anteil nimmt.
Fest steht, dass der Tag im Geiste der Initiatoren mit innerer Einkehr und im Stillen begangen werden sollte. Ein gemütlicher Abend mit Freunden oder der Familie ist sicherlich genauso angebracht, wie ein Beschäftigen mit den Themen Trauer und Tod. Auch kann es für andere hilfreich sein, wenn man seine Hilfe als Tröster anbietet, besonders für diejenigen, die erst kürzlich von einem Menschen durch den Tod getrennt wurden. Mitgefühl zu zeigen und tröstend zur Seite zu stehen, ist gerade in der sogenannten stillen Zeit besonders wichtig, folgen doch Totensonntag und Adventszeit unmittelbar. Diese Wochen sind besonders für Trauernde schwierig und man sollte ihnen mit Respekt und Verständnis begegnen.
Wie kann ich helfen?
Meist bietet es sich an, dem Gegenüber einfach nur zuzuhören. Manchmal fehlen die richtigen Worte oder man hat Angst etwas Falsches zu sagen. Seelsorge heißt, man sorgt sich um die Seele des Nächsten und das kann ganz im Stillen geschehen.
Wer selbst etwas Gutes tun und sich einsetzen möchte, hat verschiedene Möglichkeiten. Ein kleiner Auszug, der Anreize bieten kann:
- Patientenverfügung
- DKMS (Stammzellenspende)
- Organspende
- Geldspende an Organisationen wie die Diakonie
Wenn man selbst betroffen ist
Neben der Hilfe, die man anderen geben kann, kann es auch sein, dass man selbst trauert. Sei es, weil man kürzlich einen geliebten Menschen verloren hat, oder weil einem die Themen Krieg und Unversöhnlichkeit zu schaffen machen. Statt den Schmerz zu verdrängen und unverarbeitet zu unterdrücken oder gar zur Seite zu schieben, sollten sich Trauernde an dafür vorgesehene Einrichtungen, wie zum Beispiel die Malteser wenden.