Wieder lachen lernen
Wer einen schmerzlichen Verlust erleidet, meint oft, er können nie wieder fröhlich sein – das stimmt aber nicht.

Während man in anderen Kulturen nach dem Tod einer nahestehenden Person Schwarz trägt, um seiner Trauer Ausdruck zu verleihen, und dies auch bis Anfang des 21. Jahrhunderts bei uns in Deutschland der Fall war, suggerieren uns heute amerikanische Spielfilme, der Tod eines nahestenden Menschen müsse nach wenigen Wochen, zumindest aber Monaten und allerspätestens nach einem Jahr überwunden sein.
Auch Arbeitgeber greifen immer mehr in die Privatsphäre Ihrer Mitarbeiter ein beziehungsweise wird im Job oft ein Funktionieren erwartet und vorausgesetzt, selbst nach einem schweren Schicksalsschlag. Ebenso wie in Film und Fernsehen rückt hier der Mensch in den Hintergrund und es werden absurde Anforderungen gestellt, die nicht zu bewerkstelligen sind und dazu führen, dass therapeutische Praxen von Menschen eingelaufen werden, denen der Psychotherapeut nur sagen kann: „Mit Ihnen ist alles in Ordnung. Sie trauern.“
Was ist normal und wie trauere ich richtig?
Der heutige Mensch hat durch fehlende gesellschaftliche Rituale, durch zunehmende Individualisierung und Anonymisierung in der Gesellschaft und im Arbeitsbereich den Bezug dazu verloren, was „normal“ ist. Aber nicht nur das: Ihm fehlen auch die Werkzeuge, mit der eigenen Trauer umzugehen. Und so häuft sich das Phänomen, dass trauernde Menschen sich fragen: „Wann kann ich wieder lachen?“, ehe sie sich überhaupt ihrem Kummer gestellt und diesen zugelassen haben. Denn schlussendlich ist dies der Schlüssel, um überhaupt wieder lachen zu können. Man kann dem Kummer nur Herr werden, wenn man ihn sich zum Freund macht. Oder weniger drastisch ausgedrückt: Diese Gefühle wollen raus, sie haben ihre Berechtigung. Und nur, wer aus vollem Halse weint, jammert, flucht, fassungslos den Kopf schüttelt und vor Verzweiflung zittert, wird schlussendlich auch wieder von Herzen lachen können. Denn solange die ungelebten Gefühle der tiefen Traurigkeit blockiert werden, kann auch kein anderes wahrhaftiges Gefühl nach außen dringen, also auch kein schallendes Gelächter.
Es braucht seine Zeit – alles hat seine Zeit
Und das muss auch nicht sein. Keine Sorge: Sie werden wieder lachen können. Aber es braucht eben seine Zeit. Auch das ist etwas, das wir in unserer Gesellschaft vergessen und verlernt haben: Dass alles seine Zeit hat. So wie es Frühling, Sommer, Herbst und Winter gibt, so wie sich die Natur immer wieder zurückzieht und dann wieder ausdehnt, wie die Natur schläft und erwacht, stirbt und geboren wird, so gibt es auch bei uns Menschen Zyklen und Rhythmen, sowohl biologische als auch jene der Gefühlswelt. Wenn gerade ein nahestehender Mensch gestorben ist, dann ist die Zeit der Trauer. Und irgendwann kommt auch wieder eine Zeit der Freude. Dann, wenn es an der Zeit ist.
Wann darf man wieder lachen? – Wann immer Ihnen danach ist!
Das heißt aber natürlich nicht, dass Sie nicht lachen dürfen, wenn Ihnen danach ist. Lachen Sie, lachen Sie aus vollem Halse, wenn Ihnen danach ist! Jeder Mensch trauert auf seine Weise, ganz nach seinem persönlichen Empfinden. Und ob sie nun inbrünstig lachen müssen, weil Sie an einen schönen Moment mit dem Verstorbenen denken müssen oder weil sie tatsächlich kurz vergessen haben sollten, dass er fort ist und sie eigentlich traurig sind, ich sage Ihnen: Das ist vollkommen egal. Es sind Ihre Gefühle, Ihre echten und ehrlichen Gefühle und diese haben zu jeder Zeit Ihre vollkommene Berechtigung!
Der Tod ist nicht in allen Kulturen eine triste Angelegenheit – Erweitern Sie Ihren Geist und finden Sie die richtige Trauerform für sich
Tatsächlich ist es auch so, dass der Tod nicht in allen Kulturen eine triste Angelegenheit ist. Denken Sie nur an den „Día de Muertos“ in südamerikanischen Ländern! Und es gibt auch Kulturen, in denen Angehörige Ihre toten Verwandten regelmäßig wieder ausgraben und zu ihren Ehren ein Festmahl veranstalten! Und auch bei uns ist der sogenannte Leichenschmaus eines der wenigen traditionellen Rituale, das sich vielerorts bis heute gehalten hat, ein gemeinsames Essen gehen nach der Beerdigung, wo man in geselligem Beisammensein lustige Anekdoten über den Verstorbenen austauscht und ihm oder ihr in schöner Atmosphäre gedenkt.
Und natürlich gibt es auch Fälle, wo der verstorbene Mensch so lange oder so schwer krank war, dass neben dem Kummer auch starke Erleichterung mitschwingt. Erleichterung, weil der Zustand vor dem Tod ebenso unerträglich war, wenn nicht unerträglicher, und weil man froh ist, dass der geliebte Mensch nicht mehr leiden muss.
Frühere Rituale – ein kurzer Exkurs in alte Trauerpraktiken
Unsere Vorfahren waren eingebettet in Rituale, wenn jemand verstarb. Nicht nur hatten während der dreitägigen Totenwache, bei der der Leichnam aufgebahrt in seinem Haus lag, Nachbarn und Freunde die Gelegenheit, noch einmal Abschied zu nehmen. Auch war die sogenannte Totenwache mit ihren regional unterschiedlichen aber doch sich ähnenlden Ritualen nur ein Teil diverser Rituale, mit denen man dem Toten die letzte Ehre erwies und als Dorfgemeinschaft und Familie in Ruhe Zeit hatte, sich seiner Trauer zu widmen. Nach der Totenwache gab es den sogenannten Trauerzug, mit dem der Leichnam feierlich zum Friedhof prozessiert wurde und nach der Beerdigung wurde wie oben erwähnt Schwarz getragen und mit jenen, die Schwarz trugen, wurde gesondert und sensibel umgegangen. Dass sie lachen wurde nicht erwartet.
Individuelle Rituale – eine Möglichkeit zur Trauerbewältigung
Heute sind diese Rituale teils nicht mehr oder nur noch schwer umsetzbar und auch nicht jeder will das. Auch hat eine Praktik wie das „Schwarz tragen“ beispielsweise seine Bedeutung verloren und würde vermutlich nicht oder nur vereinzelt zu einem sensibleren Umgang führen.
Dennoch macht es Sinn, diese Rituale und ihre Bedeutung zu kennen. Es waren hilfreiche Rituale, die den Menschen durch die schwere Zeit halfen. Und ob man sich nun entscheidet, manche davon selbst wieder aufleben zu lassen oder ob man für sich selbst eigene individuelle Rituale findet (vielleicht sogar gemeinsam mit anderen Trauernden im Umkreis): Klar ist, Rituale sind ein wichtiger und starker Anker, wenn es um das bewältigen eines heftigen Verlustes geht.
Happiness-Workout / Übungen zum Glücklich sein
Da eine positive und sinnhafte Lebenseinstellung auch das Umgehen mit Trauer erleichtert, können Sie auch ein Happiness-Workout ausprobieren.
Das geht zum Beispiel so:
– Nehmen Sie sich zwanzig Minuten Zeit, um aufzuschreiben, wofür Sie dankbar sind
– Nehmen Sie sich fünfzehn Minuten für einen Selbst-Empathie-Brief und lassen dort alles raus, was Sie ankotzt, was Ihnen wehtut und was Sie frustriert
– Nehmen Sie sich zwanzig Minuten, um ein positives Zukunftsbild zu entwerfen
Es wird empfohlen, diese Übungen an mindestens vier aufeinander folgenden Tagen zu machen. Man kann sie kombinieren, aber auch einzeln machen. Letztendlich ist aber nur wichtig, dass es Ihnen gut tut und vollkommen egal, wie Sie es genau handhaben!
Es gibt aber auch Yogaübungen gegen Depressionen (hier sind vor allem streckende, fließende und rollende Bewegungen hilfreich) und was ebenfalls Wunder wirken kann ist, sich wieder tiefe Seufzer anzugewöhnen, wenn einem danach ist und sich morgens ausgiebig zu strecken. Also einfach den natürlichen körperlichen Bedürfnissen nachzugehen.
Schlussendlich lässt sich sagen, lachen heißt nicht gleichzeitig vergessen und es gibt viele Möglichkeiten, Trauer zu überwinden.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Tag_der_Toten
https://www.vivat.de/magazin/lebenskreis/tod-trauer-begraebnis/traditionen-und-braeuche-rund-um-tod-und-trauer/
https://www.focus.de/wissen/mensch/gluecklich-werden-happiness-workout-mit-drei-einfachen-uebungen_id_44158465.html
https://www.swr.de/swr2/wissen/psychosomatik-wie-gedanken-und-gefuehle-die-gesundheit-beeinflussen-swr2-wissen-2022-11-24-100.html