Traumatische Trauer – wenn Trauer traumatisiert
Den Tod eines Angehörigen oder nahen Freundes zu bewältigen, fällt schwer. Doch manchmal wird aus zu großer Trauer auch ein Trauma.
Das Thema Tod wird in unserer Gesellschaft häufig gemieden. Doch früher oder später muss sich jeder mit dem Tod eines geliebten Menschen auseinandersetzen. Jeder Todesfall hinterlässt seine Spuren. Während in den meisten Fällen der Tod kurzfristig für seelisches Leid bei Angehörigen sorgt, gibt es auch Angehörige, die über einen langen Zeitraum mit einer überwältigten Trauer zu kämpfen haben. Traumatische Trauer ist nur äußerst schwer zu überwinden und nicht zu unterschätzen.
Wenn der Tod eines geliebten Menschen das eigene Leben zum Stillstand bringt
Gerade wenn Menschen plötzlich oder gar gewaltsam aus dem Leben gerissen wurden, ist es für Angehörige schwer, den Verlust zu arbeiten. Doch auch wer über einen längeren Zeitraum Angehörige begleiten musste, die aufgrund von schwerer Krankheit ein schleichender Tod ereilte, tun sich häufig schwer das Erlebte und den Verlust zu verarbeiten. Intensive Gefühle gehören und seelischer Schmerz gehören natürlich zu jedem Trauerprozess. In der Regel werden unterschiedliche Phasen der Trauer durchlaufen. Vom Nicht-Wahrhaben-Wollen über langsam aufbrechende Gefühle bis zur beginnenenden Neuorientierung, die damit einhergeht, den Verlust annehmen zu können.
Der Trauerprozess verläuft natürlich nicht geradlinig und so kann es immer wieder zu Rückschritten und auch zu schnellen Fortschritten kommen. Ein wichtiger Faktor ist hierbei die Zeit, denn der Trauerprozess lässt sich nicht einfach beschleunigen und von Mensch zu Mensch unterscheidet er sich. So brauchen Menschen im Durchschnitt zwischen drei und fünf Jahren bis sie den Verlust eines nahestehenden Menschen vollständig verarbeitet haben.
Doch Trauer kann auch zur dauerhaften Belastung werden, wenn zum Beispiel der Trauerprozess stagniert und eventuell sogar zusätzliche Belastung durch Konflikte und Probleme hinzukommen. Häufig sind hier Menschen betroffen, die bewusst oder unterbewusst sich nicht mit ihrer Trauer auseinandersetzen, sondern versuchen durch Ablenkung über den Verlust des geliebten Menschen hinweg zu kommen. Ob die Flucht in die Arbeit oder ein übermäßiges Engagement für andere Menschen, die Flucht vor der eigenen Trauer führt häufig zur Selbstüberlastung und endet nicht selten in dem Gefühl „nur noch zu funktionieren“. Das eigene Leben hingegen scheint stillzustehen, denn nur wenn der Trauerprozess voranschreitet, wird es auch wieder zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Stagniert er hingegen, kommt das Gefühl auf, auf der Stelle zu treten. Nicht selten sorgen Flashbacks bei Betroffenen dafür, dass das anfängliche Verlustgefühl immer wieder neu erlebt wird und so aus der Trauer eine traumatische Trauer erwächst.
Was ist ein Flashback?
Während nach dem Tod eines geliebten Menschen mit zunehmender Verarbeitung die Gefühle tiefer Trauer immer mehr weichen und auch wieder positive Gefühle Platz finden, erleben Menschen, die unter traumatischer Trauer leiden, die erste Phase der Trauer immer wieder neu. So ist unter Flashback das Wiedererleben der traumatischen Situation in Form von Rückblenden zu verstehen. Diese Rückblenden rufen so intensive Gefühle wieder ab, dass es sich anfühlt, als würde man den geliebten Menschen immer wieder aufs Neue zu verlieren. Doch nicht nur die Gefühlswelt ist davon betroffen, sondern auch körperliche Symptome werden immer wieder erneut hervorgerufen, sodass Betroffene oft das Gefühl haben, in einer Endlosschleife der Trauer festzusitzen.
Symptome traumatischer Trauer
Trauern ist nicht nur normal, sondern auch wichtig. Doch in manchen Fällen geht die Trauer über ein gesundes Maß hinaus. Folgende Symptome weisen auf traumatische Trauer hin:
• Intensive Sehnsucht nach dem Verstorbenen
• Gedanken kreisen stetig um die verstorbene Person oder die Todesumstände
• Seelische Schmerzen und nicht abnehmend wollende Trauer
• Schwierigkeiten den Tod des Verstorbenen zu akzeptieren
• Benommenheit und das Gefühl von Leere aufgrund des Verlustes
• Verbitterung und Wut beim Gedanken an den Verstorbenen
• Positive Erinnerungen werden von Verlustgefühlen und Ängsten überlagert
• Verdrängung statt Trauer
• Anhaltende Depressionen nach dem Trauerfall
• Eigene Todessehnsucht
• Rückzug von Kontaktpersonen
• Vernachlässigung eigener Interessen
• Ausbleibende Zukunftsplanung
Hilfe bei Symptomen traumatischer Trauer
Liegt der Trauerfall länger als sechs Monate zurück und es treten Symptome traumatischer Trauer auf, ist dies ein klarer Hinweis, dass der Trauerprozess stagniert ist. Abhängig von den persönlichen Umständen können einzelne Symptome bereits ein Hinweis darauf sein, dass der Trauerprozess alleine nicht zu bewältigen ist. Spätestens wenn sich dauerhaft alles nur um das Gefühl des Verlustes und der Trauer geht, ist es dringend anzuraten Hilfsangebote zu nutzen, um Wege zu finden den Verlust zu akzeptieren und einen gesunden Weg zu finden mit der eigenen Trauer umzugehen. Da sich das Trauma auf alle Lebensbereich negativ auswirken kann, ist es wichtig, das Trauma zu verarbeiten und Bewältigungsstrategien zu entwickeln, die das Trauern erleichtern. Psychotherapeuten bieten hier die passende Unterstützung, denn sie sind Traumaspezialisten und unterstützen ihre Patienten nicht nur in Form von Gesprächstherapien, sondern auch bei der Entwicklung individueller Bewältigungsstrategien. Von Atemtechniken über kognitive Restrukturierung, Emotionsregulation und Entspannungsverfahren bis zur Selbstfürsorge reicht das Spektrum an unterschiedlichsten Verfahren, die hilfreich sind, um mit der eigenen Trauer umzugehen und einen Weg zu finden sich von der drückenden Last zu befreien.
Eine gute erste Anlaufstelle sind Trauergruppen. Trauergruppen können online besucht werden und in größeren Städten finden sich vielerorts auch lokale Trauergruppen. Der Austausch mit anderen Trauernden ist ein guter Weg über den Tod eines geliebten Menschen zu sprechen, denn alle Besucher der Trauergruppe sind in einer ähnlichen Situation und müssen sich mit dem Tod eines geliebten Menschen auseinandersetzen. Gespräche mit anderen Betroffenen, denen ein plötzlicher Tod einen geliebten Menschen entrissen hat können durchaus eine heilende Wirkung haben.
Wer sich mit einer online Trauergruppe nicht anfreunden kann oder spürt, dass die negativen Gedanken überhandnehmen, sollte gezielt psychologische Hilfe bei Trauer suchen, um mit dem Tod eines geliebten Menschen umgehen zu lernen. Ziel einer Therapie bei traumatischer Trauer ist es ein neues Verständnis für das eigene Leben zu entwickeln. Hierfür ist es wichtig, sich mit dem Tod der geliebten Person auseinanderzusetzen.
Trauernde, die von traumatischer Trauer betroffen sind, können die Kostenübernahme der Psychotherapie beantragen. Gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten für analytische und tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie und auch die Kosten für Verhaltenstherapie. Die Psychotherapie bietet die Möglichkeit, bisher nicht geleistete Trauerarbeit nachzuholen, und so Schritt für Schritt wieder zurück ins eigene Leben zu finden und immer mehr positiven Erinnerungen Raum zu geben.
Da es sich bei traumatischer Trauer um ein Trauma handelt, ist eine Trauer Therapie bei Krankenkassen im Leistungskatalog zu finden. Psychologen mit Kassenzulassung sind die richtigen Ansprechpartner wenn ein plötzlicher Tod nur schwer verarbeitet werden kann und psycholgische Hilfe bei Trauer nötig wird. Auch einige Kliniken bieten Hinterbliebenenhilfe und auch hier ist eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse möglich.