Trauer im Islam
Tradition, Bräuche und Ritual.

Der Umgang mit Trauer fällt in jeder Religion und jedem Kulturkreis anders aus. In diesem Beitrag steht der Islam, nach dem Christentum die zweitgrößte Weltreligion und in Deutschland mit mehr als vier Millionen deutschen Anhängern omnipräsent, im Mittelpunkt. Dabei sollen neben grundlegenden Glaubens- und Wertvorstellungen unter anderem Trauerrituale und Bräuche einer genaueren Betrachtung unterzogen werden.
Der Islam: ein kurzer Einstieg
Gegründet wurde der Islam im frühen 7. Jahrhundert nach Christus in Mekka von dem Propheten Mohammed. Da sich dieser Schätzungen zufolge zwischen den Jahren 570 und 632 nach Christus vornehmlich in Medina und Mekka aufhielt, führen diese Städte heute die Liste der wichtigsten Pilgerorte für Angehörige des muslimischen Glaubens an. Ein Großteil der weltweit über 1, 2 Milliarden Muslime ist im Nahen Osten, in Westasien, Nordafrika und Indonesien ansässig. Der Islam ist in verschiedene Glaubensrichtungen unterteilt. Zu den größten Gruppen zählen die Sunniten und Schiiten, die sich aufgrund der Frage nach der Nachfolgeregelung des Propheten Mohammed entwickelten.
Der Islam zählt zu den monotheistischen Weltreligionen. Dabei bilden die Botschaften Allahs, die sich dem Propheten Mohammed offenbarten, den Mittelpunkt. Zusammengefasst sind sie als Suren, sprich Kapitel, in dem heiligen Buch des Islam, dem Koran. Zum Muslim wird man, wenn man die Schahada (das Glaubensbekenntnis) aus vollster Überzeugung im Beisein anderer Gläubiger gesprochen hat. Kern dieses Bekenntnisses ist die Bezeugung, dass Allah der alleinige Gott ist.
Wissenswertes zum Thema Tod im islamischen Glauben
Der Verlust eines geliebten Menschen zählt zu den einschneidendsten Erfahrungen im Leben der Angehörigen. Im Islam gibt es verschiedene Trauerrituale, die zum einen dazu dienen, Respekt und Hochachtung vor dem Verstorbenen und seinem Leben auszudrücken, und zum anderen für die Hinterbliebenen den Prozess der Trauerverarbeitung zu erleichtern.
Im islamischen Glauben wird der Tod als natürlicher Bestandteil des Lebens angesehen. Anders ausgedrückt bildet er eine essenzielle Etappe auf dem Weg in ein ewiges Leben im Jenseits. Anhänger/-innen des Islams glauben, dass die Seele des Verstorbenen nach dem Tod weiter existiert. Eine angemessene Ehrung des verstorbenen Menschen sowie eine Bestattung in Würde spielen eine entsprechend große Rolle.
Sowohl mit Blick auf die muslimischen Bräuche als auch auf die Trauerbewältigung ist die Einhaltung bestimmter zeitlicher Vorgaben erforderlich.
Die muslimische Trauerfeier inklusive besonderer Regelungen für die Ehefrauen Verstorbener
In vielen muslimischen Gemeinschaften bedeutet dies, dass innerhalb der ersten drei Tage nach dem Tod des Verstorbenen eine Art Gedenkfeier abgehalten wird. In dieser Zeit haben Freunde, Bekannte und Familienmitglieder Gelegenheit, gegenüber den engsten Angehörigen des verstorbenen Menschen ihr Mitgefühl zu bekunden und ihre emotionale Hilfe anzubieten. Unverzichtbare Elemente der muslimischen Trauerfeier sind zudem Lesungen aus dem Koran und Gebete.
Ein verbreiteter Brauch besteht in dem Verzicht der Familie des Verstorbenen auf den Genuss von Fleisch. Dieser dient in erster Linie dem Gedenken an den Verstorbenen und ist zugleich ein Ausdruck von Dankbarkeit dem eigenen Leben gegenüber.
Generell hängt die Länge der Trauerzeit von der Entfernung, die die Angehörigen von der Trauergemeinde trennt, sowie die Beziehung der Hinterbliebenen zum Verstorbenen ab. Eine besonders lange Anreise bedeutet entsprechend ein längeres Verbleiben der Trauergemeinde im Trauer- bzw. Familienhaus.
Von der Witwe wiederum wird generell eine verlängerte Trauerphase über die beschriebenen drei Tage hinaus erwartet. Das von hinterbliebenen Frauen im Trauerfall erwartete Verhalten beschreibt der Prophet Mohammed wie folgt: „Es ist einer Frau, die an Allah und den Jüngsten Tag glaubt, nicht erlaubt, länger als drei Tage in dem Sinne zu trauern, dass sie eine tote Person schmückt. Wenn der Verstorbene jedoch ihr Ehemann ist, ist es anders, sie muss vier Monate und zehn Tage nach seinem Tod trauern.“ (Buhari, Cenaiz 31)
In dieser Zeit sollte die Witwe im Haus ihres verstorbenen Mannes bleiben und sich ausschließlich auf ihre religiösen Pflichten besinnen. Das Tragen von Schmuck, Make-up und neuen, farbenfrohen oder auf andere Weise extravaganten Kleidern ist in dieser Phase ebenso Tabu wie die Annahme eines Heiratsantrages.
Muslimische Bestattungsrituale kurz vorgestellt
Eine muslimische Bestattung unterliegt festen Regeln. Tritt der Tod eines Menschen nicht plötzlich und unerwartet ein, so beginnt diese bereits zuvor. Im Zentrum steht dabei das gemeinsame Rezitieren des islamischen Glaubensbekenntnisses, das den Weg in das ewige Leben ebnen soll.
Auf den Tod folgt die rituelle Waschung. Handelt es sich bei dem Verstorbenen um einen Mann, so wird diese zumeist von einem Imam (Gelehrten des Islam oder Vorbeter in der Moschee) durchgeführt. Bei verstorbenen Frauen wird die Waschung durch weibliche Angehörige vorgenommen.
Nach der Waschung erfolgt die Einhüllung des Verstorbenen in ein weißes Leichentuch (Kefen). Bei dem Totengebet handelt es sich um ein Gemeinschaftsgebet, bei dem sich neben den Angehörigen und Freunden möglichst viele Muslime der zuständigen muslimischen Gemeinschaft versammeln. Enthalten ist dabei auch die Freisprechung des Verstorbenen von seinen Sünden.
Die Erdbestattung auf dem Friedhof ist die einzige Beisetzungsvariante, die im Islam akzeptiert wird. Dabei wird der Verstorbene ohne Sarg und lediglich in ein Leichentuch gehüllt in das Grab gelegt. Ganz wichtig ist hier, dass das Gesicht des Verstorbenen gen Mekka gewandt ist. Genau genommen ist die gewünschte Blickrichtung die Kaaba, das zentrale Heiligtum im Islam, das sich im Innenhof der Heiligen Moschee in Mekka befindet.
Brauchtum und Tradition verlangen, dass vor dem Schließen des Grabes mit Erde über dem Verstorbenen Holzbretter in Form eines Daches angebracht werden.
Wissenswertes zur muslimischen Bestattung in Deutschland
Aufgrund bestimmter gesetzlicher Einschränkungen, die Muslimen eine traditionelle Beerdigung in Deutschland unmöglich machten, wurden Verstorbene des muslimischen Glaubens lange in ihr Heimatland überführt. Die mit diesem Verfahren automatisch verbundenen erhöhten Bestattungskosten erforderten jedoch die Suche nach erschwinglicheren Alternativen.
Heute gibt es auf immer mehr Friedhöfen spezielle muslimische Grabfelder. Deutsche Bestattungsgesetze, die unter anderem die Beerdigung in einem Sarg vorschreiben, greifen hier nicht. Entsprechend haben muslimische Trauernde nunmehr die Möglichkeit, ihre Angehörigen gemäß der Tradition und dem in ihrem Glauben vorgeschriebenen Regelwerk zu beerdigen. In puncto Kostenaufwand gibt es übrigens kaum Unterschiede zwischen einer muslimischen Beerdigung und einer herkömmlichen Erdbestattung. Enthalten sind in beiden Fällen die Grabnutzungs- und Friedhofsgebühren.
Planung und Durchführung einer muslimischen Beerdigung: die wichtigsten Punkte auf einen Blick
Für Angehörige aller Glaubensrichtungen ist der Tod eines geliebten Angehörigen immer eine emotionale Erfahrung, die kaum Raum für ein wohldurchdachtes Planen lässt. Im muslimischen Glauben wird Ehemännern dazu geraten, für den Todesfall vorzusorgen, indem sie für die zurückbleibende Ehefrau wenigstens so viel Geld zurücklassen, dass sie mindestens ein Jahr nach dem Tod ihres Mannes materiell versorgt ist und sich auf ihre religiösen Pflichten und die Bewältigung ihrer Trauer konzentrieren kann.
Inzwischen gibt es auch in Deutschland immer mehr Bestattungsunternehmen, die die Planung und Durchführung von islamischen Bestattungen übernehmen. Für die Angehörigen stellt dies eine enorme Entlastung dar, bedeutet es doch, dass ihnen sämtliche anfallende formelle Angelegenheiten erspart bleiben.
Die Aufgaben muslimischer Bestattungsunternehmer unterscheidet sich zumeist nicht von anderen Bestattern. Auf den Punkt gebracht zählen dazu:
– die Soforthilfe,
– die Überführung,
– die Trauerbegleitung,
– die Beratung sowie
– die Erledigung sämtlicher notwendiger Formalitäten.
Die Berücksichtigung religiöser Vorgaben des Islams wie die rituelle Waschung und Einkleidung sowie bei Bedarf die Überführung ins Heimatland stellt weiterhin eine respekt- und würdevolle Behandlung des Verstorbenen nach islamischer Tradition sicher.
Von der sensiblen und empathischen Behandlung trauernder Musliminnen und Muslime
Für Bekannte und Mitarbeiter/-innen von Angehörigen des islamischen Glaubens stellt sich oftmals die Frage, wie sie sich in einem Trauerfall verhalten sollen. Klassische Beileidsbekundungen wie Karten oder Blumen und andere Varianten, die das eigene Mitgefühl ausdrücken, werden in diesem Fall sehr geschätzt.
Muslimische Freunde können zudem im Gespräch mit den Trauernden den Schwerpunkt auf ihren Glauben an ein Leben nach dem Tod sowie die damit verbundene Hoffnung eines Wiedersehens mit dem Verstorbenen setzen.