Die letzte Etappe seiner Pilgerreise ist nun zu Ende
Nachruf auf Benedict XVI.
Am 31. Dezember 2022 fand der emeritierte Papst Benedikt XVI. seine letzte Ruhestätte nach einer insgesamt 95 Jahre dauernden Pilgerreise. Kardinal Josef Ratzinger trat 2005 als der 264. Nachfolger des Heiligen Petrus das oberste Amt im Vatikan an und gab sich den Namen Benedikt XVI. Während er für viele wohl als bedeutendster Deutscher aller Zeiten in die Geschichtsbücher des Vatikans eingehen wird, gilt sein Pontifikat für andere bis heute als umstritten und wird es wohl weiterhin bleiben. Mit seinem Rücktritt aus dem Papstamt lieferte er im Jahr 2013 eine Sensation, welche die Kirche wie seine gesamte Amtszeit noch viele Jahre, wenn nicht für immer beschäftigen wird. Ein Nachruf auf Benedikt XVI.
Der Junge aus Marktl am Inn bescherte der Kirchengeschichte viele neue Kapitel
Josef Aloisius Ratzinger erblickte als Sohn eines Polizisten am 16. April 1927 in Marktl am Inn in Bayern das Licht der Welt. Der überaus intelligente Junge erfuhr eine tief römisch-katholische Erziehung und schon in jungen Jahren wünschte er sich von ganzem Herzen Priester zu werden. Ein Wunsch, den er zeit seines Lebens niemals infrage gestellt hat. Im Alter von 17 Jahren wird er zur Wehrmacht eingezogen. Er wurde widerwillig ein Teil der Hitlerjugend und als Luftwaffenhelfer in Hitlers letzten Aufgebot bestellt. Doch der junge Mann zeigt zu keinem Zeitpunkt Sympathien für die diktatorische Herrschaft Adolf Hitlers und das Nazi-Regime.
In den Jahren nach dem Krieg legte Ratzinger eine wahre Bilderbuchkarriere als Professor der Theologie hinlegt. In zahlreichen Texten aus dieser Zeit lässt sich seine gedankliche Schärfe und Intelligenz bis heute erkennen. Er gilt als einer der größten Theologen, wenn nicht sogar der Größte aller Zeiten. Später wurde Ratzinger zunächst zum Professor von Regensburg, dann zum Erzbischof von München und später zum Kardinal ernannt.
Unter Papst Johannes Paul II. stieg Ratzinger zum Präfekten der Glaubenskongregation (1981-2005) im Vatikan auf. Eine Institution, besser bekannt auch als die Heilige Inquisition. Nahezu ein Vierteljahrhundert hatte er diese Schlüsselposition inne und prägte die Kirchengeschichte während dieser Zeit nahezu gleichermaßen, wie sein Pontifex. Gegenüber politischen Themen zeigte sich Ratzinger aber immer sehr distanziert. Während sein Papst die Welt bereiste und die Menschenmassen begeisterte, scheute Ratzinger das grelle Licht der Kameras und trat schon vor seiner Zeit als 265. Bischof von Rom immer recht unnahbar und menschenscheu auf. Ein Verhalten, dass er auch während und nach seiner Amtszeit nicht ganz ablegen konnte.
Nach dem Tod von Johannes Paul II. wurde Kardinal Ratzinger wohl auch für ihn selbst überraschend zum neuen Oberhaupt des Christentums gewählt und das in einem der kürzesten Konklave alle Zeiten. Es brauchte nur vier Wahlgänge, bis weißer Rauch aus dem Kamin der Sixtinischen Kapelle aufstieg und Ratzinger zum neuen Papst gewählt wurde. Ein Amt, das auf Kardinal Ratzinger während dem Konklave wie ein Fallbeil herabfiel, um seine eigenen Worte zu zitieren. Seine Amtszeit wird von Gelehrten und Historikern als Nachklang zur Ära Johannes Paul II. gewertet. Eine Ära, in der die Kirche teils einen Rückschritt machte und sich eher von den Menschen abwandte als auf sie zuging.
Nicht nur sein Rücktritt am 28. Februar 2013 im Castel Gandolfo war eine wahre Sensation. Denn vor Benedikt XVI. gab es nur einen Papst, der freiwillig sein Amt niederlegte, nämlich Papst Coelestin V. im Jahr 1294, welcher jedoch von seinem Nachfolger Papst Bonifatius VIII. verfolgt wurde und schließlich auf seiner Flucht in Gefangenschaft geriet und hinter schwedischen Gardinen verstarb. Rückblickend betrachtet trat Benedikt XVI. aber von einem Amt zurück, das ihm oft weiter entfernt schien, als seine theologischen oder philosophischen Traktate.
Doch auch nach seinem Rücktritt schaffte es Benedikt XVI., die Kirchengeschichte noch um Kapitel zu erweitern, denn die Tatsache, dass seit seinem Rücktritt über Jahre hinweg zwei Päpste im Vatikan lebten, ist wahrhaft einzigartig.
Spät in seinem Leben (2022) holte ihn schlussendlich auch eine Missbrauchsaffäre während seiner Zeit als Bischof von München und Freising ein und warf einen dunklen Schatten auf sein Vermächtnis.
Schließlich ging seine letzte Pilgerreise am 31. Dezember 2022 im vatikanischen Kloster Mater Ecclesiae für immer zu Ende. Sein Erbe wird die Kirche aber weiter beschäftigen und die Meinungen seiner Befürworter und seiner Kritiker wohl bis in alle Ewigkeiten spalten.
Der Panzerkardinal – wie Benedikt XVI. seine uneingeschränkte Liebe zur römisch-katholischen Kirche mitunter zum Verhängnis wurde
Zeit seines Lebens und seines Pontifikats verfolgte Benedikt XVI. zwei Ziele. Einerseits die Bewahrung des christlichen Kerns, welcher seiner Ansicht nach auch nicht durch modischen Strömungen aufgeweicht werden darf und andererseits das Zusammenhalten der „Herde“ gegen die von Gott abgewandte Welt. Um seine Ziele durchzusetzen, machte er weder Kompromisse noch stieß er Reformen an. Wohl ein Grund, weshalb er oft als „Panzerkardinal“ bezeichnet wurde. Ein Titel, der Ratzinger manchmal zu Unrecht verliehen wurde.
Während er direkt nach seiner Wahl zum Pontifex noch bejubelt wurde, verflog die anfängliche Euphorie doch recht schnell. Mit seinem strengen dogmatischen Kurs verärgerte er durch Reden, wie jene in Regensburg im Jahr 2006, nicht nur die Muslime, sondern auch andere Weltreligionen wie die Juden oder die Protestanten. Als Benedikt XVI. schlussendlich als erster deutscher Papst, der auch das Terrorregime unter Adolf Hitler mit eigenen Augen miterlebte, in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem sprechen durfte, konnte er die einzigartige Chance nicht nutzen, der Öffentlichkeit verständlich zu machen, weshalb seine Kirche während des Zweiten Weltkrieges derart versagt hatte, sondern erschütterte die jüdische Gemeinde eher mit seinen Aussagen.
Auch bei vielen brennenden Fragen der vergangenen Jahrzehnte zu Themen wie dem Zölibat, dem Frauen-Priestertum, der Geburtenregelung oder einem gütigeren Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, blieb Benedikt XVI. immer seinem harten Kurs treu.
Seine Anschauungen waren bis zum Ende seines Lebens von der katholischen Welt seiner Kindheit geprägt. Er sah die Kirche als eine fehlerfreie Institution, die immer rein bleibt, egal welche Taten ihre Priester auch verüben. Abgespaltene Religionen wie die Protestanten erkennt er nur als Glaubensgemeinschaft an und den Islam betrachtet er „als das andere“, um nur ein paar seiner engstirnigen Anschauungen zu nennen, welche bis heute als umstritten gelten und viel Ärger und Zorn in der Welt hervorrufen. Die Tatsache, dass die katholische Kirche im Laufe der Geschichte auch viel Leid über Menschen gebracht hat, hat er immer ausgeblendet und bis zu seinem Tod nicht realisiert. Sogar mit Johannes Paul II. geriet Ratzinger deswegen in einen Streit, da der damalige Pontifex, Johannes Paul II. im Jahr 2000 ein großes und vollumfängliches Schuldgeständnis im Petersdom zelebrieren wollte, gegen das sich Ratzinger aber vehement zur Wehr setze.
Ungeschickter Umgang mit der Liebe zu seiner Konfession
Josef Ratzinger liebte die katholische Kirche schon in seiner Jugend und tat dies bis an sein Lebensende. Doch mit seiner Liebe ging er in vielen Fällen etwas ungeschickt um. Eines kann Josef Ratzinger aber niemand absprechen: Er hat während seines ganzen Lebens alles, was er hatte, für seine geliebte Institution gegeben. Nun ist seine letzte Pilgerreise auf der Erde nach 95 Jahren zu Ende gegangen. Sein Erbe wird jedoch noch lange in Erinnerung bleiben und wahrscheinlich auch weiterhin die Meinungen der Menschen spalten. Möge er für immer in Frieden ruhen.
Quellen:
https://www.hdg.de/lemo/biografie/Benedikt-XVI.html
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2022-12/josef-ratzinger-tod-benedikt-xvi-schattenpapst-franziskus?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.at%2F
https://www.planet-wissen.de/kultur/religion/paepste/pwiepapstbenediktxvi100.html
https://www.vaticannews.va/de/taglist.chiesa-e-religioni.Papa.papa-benedetto-xvi.html
https://www.katholisch.at/aktuelles/141902/joseph-ratzinger/papst-benedikt-xvi.-sein-leben-in-daten-und-fakten