Wo die letzte Ruhe finden?
Die herkömmliche Bestattung in einem Grab auf dem Friedhof wird zunehmend unpopulär – was sind die Alternativen?
Die Geschichte der Menschheit ist auch eine Geschichte ihrer Bestattungskulturen. Von den Stein- und Eisgräbern der Inuit über die Himmelsbestattungen der Tibeter bis hin zu technisch ausgefeilten Verfahren des 21. Jahrhunderts. Der Umgang mit den Verstorbenen aller Weltteile war und ist einem steten Wandel unterworfen; ein Wandel der nicht zuletzt von klimatischen und landschaftlichen, vor allem aber auch religiösen und rituellen Aspekten geprägt wurde. Aktuelle Entwicklungen berücksichtigen vor allem das ökologische Bewusstsein vieler Menschen. Der Wunsch nach einer möglichst naturnahen und umweltfreundlichen Beisetzung ist ebenso präsent wie das Bedürfnis nach Individualität bis hin zur Extravaganz.
Die traditionelle Erdbestattung inklusive Sarg und Grabstein hat zwar nicht ausgedient, zeigt aber vor allem in Westeuropa einen rückläufigen Trend. Seit den 1990er Jahren hat die Kremierung und anschließende Urnenbeisetzung stark an Bedeutung gewonnen. Darüber hinaus haben sich alternative Ansätze entwickelt, darunter die alkalische Hydrolyse, die Promession oder auch die Reerdigung:
Zurück zur Natur – Die Reerdigung
Die Reerdigung ist eine innovative Form der Bestattung, die ihre Ursprünge in den USA hat. Sie beruht auf der natürlichen Verwesung des Leichnams, wie sie sich langfristig auch bei einer herkömmlichen Erdbestattung vollzieht. Bei der Reerdigung allerdings wird der Körper einer Kompostierung zugeführt und so der Verwesungsprozess drastisch beschleunigt. Der Leichnam wird zu diesem Zweck in eine an einen Sarkophag erinnernde Truhe gebettet. Heu, Stroh und andere natürlichen Materialien umgeben den Verstorbenen. Eine kontrollierte Wärme- und Feuchtigkeitszufuhr schafft optimale Bedingungen für Abermillionen Mikroorganismen, die nun innerhalb von nur 40 Tagen zu einer vollständigen Zersetzung des Leichnams beitragen. Wird also der Körper einer Kompostierung zugeführt, so findet eine beschleunigte Umwandlung des Verstorbenen in nährstoffreiche Erde statt. Als Humus kann diese anschließend in eine natürliche Umgebung, z.B. einen Friedwald, verbracht werden und fungiert dort als Grundlage für das Wachstum von Bäumen, Blumen und anderen Pflanzen.
Neben der Reerdigung existieren zahlreiche andere neuartige und besondere Bestattungsformen. Viele von ihnen erfordern eine vorherige Kremierung. Zu den geläufigsten gehören die Beisetzung auf See sowie die Bestattung in einem Friedwald:
Das Meer als Beisetzungsort – Die Seebestattung
Die Seebestattung wird häufig mit einer Ascheverstreuung auf dem offenen Meer oder an der Küste assoziiert. Inwiefern dies möglich ist, hängt jedoch von der national- bzw. bundesstaatlichen Gesetzgebung ab. So verfügen etwa die Niederlande, Großbritannien, die Schweiz oder auch die USA über weitgehend liberale Bestimmungen zum Umgang mit der Asche Verstorbener. In Deutschland ist eine freie Ascheverstreuung dagegen untersagt. Auch Seebestattungen sind dementsprechend reguliert und an Reedereien gebunden, die über eine entsprechende Qualifikation und Ausstattung verfügen. Auf Schiffen, die Räumlichkeiten zur Abschiednahme und für Trauerfeiern besitzen, fahren die Hinterbliebenen aufs Meer hinaus. Der Akt der Beisetzung wird vom Kapitän des Schiffes durchgeführt. Dieser lässt eine wasserlösliche Urne, welche die Asche des Verstorbenen enthält, auf den Meeresgrund hinab. An Nord- und Ostseeküste gibt es speziell ausgewiesene Gebiete, in denen Seebestattungen vorgenommen werden dürfen. Dennoch haben die Hinterbliebenen ein gewisses Mitbestimmungsrecht; so zum Beispiel darüber, in welcher Entfernung zur Küste die Beisetzung stattfinden soll.
Bei einer freien Seebestattung, etwa im Pazifik oder Atlantik, kann die Asche dagegen frei in den Wind oder auf der Wasseroberfläche verstreut werden.
Darüber hinaus existieren alternative Beisetzungsarten, bei denen der Verstorbene seine letzte Ruhestätte in einem Gewässer findet. Hierzu gehören beispielsweise die Flussbestattung sowie die exotische Korallenbestattung:
Exotisch und umweltbewusst – Die Korallenbestattung
Die Korallenbestattung ging in den 1980er Jahren aus dem Bestreben hervor, dem Schwund der Korallenriffe vor der Küste Floridas entgegenzuwirken und leistet auf diese Weise einen aktiven Beitrag zum Naturschutz. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich zwei grundlegende Methoden der Korallenbestattung herausgebildet. Einerseits kommen sogenannte Riffbälle zur Anwendung. Dabei handelt es sich um Betonkugeln, in welche die Asche des Verstorbenen eingearbeitet wird. Anschließend werden die Riffbälle im Meer versenkt, wo sie eine ideale Oberfläche für die Ansiedlung neuer Korallenriffe bieten.
Das BIOROCK-Verfahren dagegen arbeitet mit Metallkonstruktionen, die auf dem Meeresboden errichtet werden. Eine Urne mit der Asche des Verstorbenen wird in diese Metallkonstruktion integriert, welche wiederum als Ausgangspunkt zur Entwicklung einer Korallenkolonie dient.
Die Korallenbestattung kann von den Hinterbliebenen tauchend oder an Bord eines speziell präparierten Wasserfahrzeugs begleitet werden. Diese verfügen über gläserne Böden und ermöglichen so eine Teilnahme an der Beisetzung. Da Korallen lediglich in tropischen Gewässern vorkommen, ist eine Korallenbestattung in Mitteleuropa ausgeschlossen. Lediglich in den USA oder auch Australien wird die Beisetzung unter Korallen angeboten.
Allerdings existieren auch abseits der tropischen Zonen Möglichkeiten für nachhaltige und naturnahe Bestattungsformen. Eine davon ist die sogenannte Baumbestattung:
Der Wald als Beisetzungsort – Die Baumbestattung
Der Wald repräsentiert für viele Menschen einen idyllischen und friedlichen Ort. Es überrascht daher nicht, dass Bestattungen in sogenannten Fried- oder Ruhewäldern immer beliebter werden. In Europa ist eine vorherige Kremierung des Verstorbenen Voraussetzung für die Beisetzung unter Bäumen. Auch in anderen Erdteilen sind Sargbestattungen in Wälder eher unüblich. Stattdessen wird die Asche des Verstorbenen im Wurzelbereich eines zuvor bestimmten Baumes beigesetzt. Wie bei der Seebestattung sind für die Bestattung in einem Friedwald nur solche Urnen zulässig, die aus ökologisch abbaubaren Materialien bestehen. Auch darüber hinaus unterscheidet sich die Baumbestattung von der Beisetzung auf einem regulären Friedhof. Der Schutz der natürlichen Landschaft steht an erster Stelle, so dass Grabmäler, Grabschmuck sowie künstliche Bepflanzungen streng untersagt sind. Ähnlich der Korallenbestattung geht also auch eine Baumbestattung mit gezielten Anstrengungen zum Umweltschutz einher. Durch die Nutzung als Friedwald wird die natürliche Landschaft bewusst erhalten und vor Verschmutzung oder auch Rodung geschützt.
Abschließend ist zu sagen, dass die Beisetzung in einem Ruhewald aufgrund ihres spartanischen Charakters zu den preisgünstigsten und nachhaltigsten Bestattungsformen zählt.
Als gerades Gegenteil zu der bescheidenen Beisetzung in einem Friedwald hat das moderne Bestattungswesen jedoch auch die ein oder andere Extravaganz zu bieten:
Eine Kostbarkeit aus Asche – Die Diamantbestattung
Die Diamantbestattung ist wohl eine der exklusivsten Bestattungsformen und erinnert an die Tradition des Trauerschmucks, wie sie bereits in vergangenen Jahrhunderten gepflegt wurde. Das Prinzip dieser besonderen Bestattungsart besteht darin, nach der Kremierung des Verstorbenen dessen Asche als Ausgangsstoff für die Herstellung eines künstlichen Diamanten zu verwenden. Hierfür wird ein Teil der Asche im Labor analysiert, um anschließend die darin enthaltenen Kohlenstoffe zu extrahieren und zu reinigen. In einer technisch komplexen Presse wird der Kohlenstoff anschließend Temperaturen von ewta 2.000 °C und enormen Druckverhältnissen ausgesetzt. Der Entwicklungsprozess des späteren Diamanten nimmt dabei mehrere Monate bis hin zu einem Jahr in Anspruch. Sowohl die Herstellungsdauer als auch die Kosten einer Diamantbestattung hängen maßgeblich von der gewünschten Größe und Veredelung ab. Auch Schliff und Politur des Diamanten richten sich nach den Vorstellungen der Hinterbliebenen. Der fertige Edelstein kann anschließend in ein Schmuckstück integriert oder anderweitig als Andenken aufbewahrt werden.
Die Diamantbestattung ist nicht die einzige exklusive und kostenintensive Bestattung. Sogenannte Luftbestattungen, die z.B. an Bord eines Heißluftballons vorgenommen werden, konkurrieren mit der noch außergewöhnlicheren Weltraumbestattung:
Der Himmel als Beisetzungsort – Die Weltraumbestattung
Wie viele andere Bestattungsarten setzt auch die Weltraumbestattung eine vorherige Kremierung des Verstorbenen voraus. Zu beachten gilt es zudem, dass lediglich eine kleine Menge der Asche in den Weltraum verbracht wird. In einer beschrifteten Miniurne werden wenige Gramm in die Erdatmosphäre oder darüber hinaus geschossen. Wie weit dieser letzte Flug des Verstorbenen reicht, variiert je nach persönlicher Präferenz und verfügbarem Budget. Bei einem suborbitalen Flug verbleibt die Miniurne zu jeder Zeit innerhalb der Erdatmosphäre und schwebt an einem kleinen Fallschirm zurück auf die Erdoberfläche. Fällt die Entscheidung auf einen orbitalen Flug, gelangt die Asche des Verstorbenen mittels Raketenabschuss bis in die Erdumlaufbahn und verglüht, sobald sie wieder in die Erdatmosphäre eindringt. Noch exklusiver ist die sogenannte Mondbestattung, bei welcher die Miniurne bis in die Mondumlaufbahn geschossen wird und von dort auf die Mondoberfläche fällt.
Die Weltraumbestattung ist noch wenig verbreitet, da sie einen hohen organisatorischen und technischen Aufwand erfordert. Häufig stand die Verbringung der Asche Verstorbener ins All in Verbindung mit regulären Weltraummissionen und fand somit hauptsächlich in den USA und Russland statt. Einzelne Miniurnen Verstorbener wurden sogar bis über den Mond hinaus transportiert und befinden sich bis heute auf ihrer Reise durch die unendlichen Weiten. Erst in den vergangenen Jahren wurde die Weltraumbestattung in ihren verschiedenen Abstufungen auch für Privatpersonen zugänglich und erschwinglich.
Besondere Bestattungsarten – Was ist erlaubt?
Welche Bestattungsformen erlaubt sind, variiert von Nation zu Nation, von Bundesland zu Bundesland bzw. von Bundesstaat zu Bundesstaat. In Deutschland oder Österreich etwa herrscht eine sogenannte Friedhofspflicht. Dennoch konnten sich einige der besonderen Bestattungsarten als Ausnahmen von dieser Regelung etablieren. Hierzu gehören:
die regulierte Seebestattung,
die Beisetzung in einem Friedwald,
auch die Reerdigung beginnt in Europa und Deutschland Fuß zu fassen.
Andere besondere Bestattungsarten erfordern dagegen ein höheres Maß an organisatorischem Aufwand und sind ggf. mit einer Reise ins Ausland verbunden. Hierzu gehören:
die freie Seebestattung,
die Korallenbestattung,
die Diamantbestattung,
die Weltraumbestattung.
Auch die freie Ascheverstreuung ist eine oft gewünschte, aber häufig unerlaubte Form der Beisetzung. Angesichts eines veränderten Bewusstseins sowie zahlreicher Innovationen im Bestattungswesen befindet sich die diesbezügliche Gesetzgebung allerdings in einem stetem Wandel. Neuartige Verfahren, wie die Reerdigung haben gute Chancen, sich in absehbarer Zeit als gängige Bestattungsverfahren zu etablieren. Auch die auf dem Einsatz von flüssigem Stickstoff basierende Promession sowie die mit Laugen arbeitende alkalische Hydrolyse kündigen sich als besondere Bestattungsverfahren an und werden in Zukunft für weitere spannende Entwicklungen sorgen.
Quellenangaben:
- https://www.meine-erde.de/reerdigung
- https://www.deutschlandfunk.de/wandel-in-der-bestattungskultur-die-friedhoefe-der-zukunft-100.html
- https://www.friedwald.de/fragen-antworten
- https://www.lonite.de/Diamantbestattung/
- https://www.stern.de/panorama/weltgeschehen/begraben-im-korallenriff–vom-trend–nach-dem-tod-zur-koralle-zu-werden-31647518.html