Auf dem Weg zum guten Tod
Annehmen, akzeptieren und umarmen – der gesunde Weg mit dem Tod umzugehen

Jedes Leben hat ein Ende. Der Tod gehört zum Leben. Das, was dazwischen ist, soll frei sein für das Leben ohne Angst vor dem Tod und vor der eigenen Sterblichkeit. In der Natur ist das Sterben ständig präsent – man nimmt das Ende eines Lebewesens überwiegend sachlich zur Kenntnis. Der Mensch ist Teil der Natur. Als solchen begriffen, fällt es leichter, den Tod anzunehmen und ihn zu akzeptieren. Bis es so weit ist, umarmen wir das Leben.
Was uns bewegt
Der Gedanke an das Weggehen aus dem Leben ist stark mit dem Gefühl des Verlustes oder des Verlassenwerdens verbunden. Oft ist es die Liebe und die Zuneigung zu den besonders bedeutsamen Menschen, die am Ende des Lebens Sorgen bereiten – dem, der geht und denen, die bleiben. Loslassen und weggehen dürfen – ein Vorgang, der im Leben oftmals geübt wird. Das Sterben schließt aber das Wiederkommen aus. Der Tod ist endgültig. Wer mit ihm Frieden schließt, kann in Liebe und Zufriedenheit mit ihm leben und sterben, wenn die Zeit gekommen ist.
Die Endgültigkeit des Seins akzeptieren
Das Verdrängen von Unausweichlichem ist ein Selbstbetrug. Er und die damit verbundene Angst vor dem Tod nimmt die Chance, aufrecht und mit allen Sinnen, dem Ableben aktiv zu begegnen. Es verhindert zu der einzig wahrhaften Erkenntnis zu gelangen, dass es kein absolutes Ende nach dem Tod gibt. Das Leben begibt sich in andere Sphären und Erscheinungen. Es zeigt sich in Erinnerungen, Verhaltensweisen, immateriellen Vererbtem und Nachlässen verschiedener Art. Todesangst und Nekrophobie rauben kostbare Zeit für die freie Gestaltung des Lebens in oder ohne Gemeinschaft mit anderen. Den Tod enttabuisieren – damit ist der Zugang zu einer rationalen Auseinandersetzung mit ihm möglich.
Die Death-Positive-Bewegung – die aktive Auseinandersetzung mit dem Tod
Ein Glück für den, der intuitiv das Richtige für die Zeit nach seinem Leben getan hat. Das Plötzliche, das Unfassbare verliert seinen Schrecken für alle, die wissen, wie es weitergehen wird. Die Zukunft nach dem Ableben im Sinne aller, bereits zu Lebzeiten durchdacht und vorbereitet, gibt Sicherheit und innere Ruhe. Denen, die sich verabschieden, auf dieser und jener Seite des Todes.
Kulturell geprägt wird der Tod in der Regel als etwas Dunkles, Mystisches dargestellt, dem möglichst ausgewichen werden möchte. Das hat zur Folge, dass sich die Zeit, die wir miteinander haben, verkürzt und die Konzentration auf Wesentliches vernachlässigt bleibt.
Die Death-Positive-Bewegung bricht mit kulturellen Traditionen der westlichen Lebensart. Dem Tod enttabuisieren, ihm als Teil des Lebens eine Stimme geben und das Verabschieden von ihm einen größeren Raum gewähren, als bisher kulturelle Traditionen und die üblichen Rituale gestatten, ist das Ziel und der Weg zugleich.
Seit mehr als einem Jahrzehnt ist in Kalifornien der alternative Umgang mit dem Sterben, dem Tod und der Trauer als der gute Tod im „Orden des guten Todes“ als Bewegung etabliert.
In kurzer Zeit haben sich aus dieser Bewegung heraus weltweit Plattformen gebildet, die es ermöglichen, Gedanken über das Sterben und den Tod auszutauschen und Diskussionen zu entwickeln. Die belastende Angst nehmen ist das Ziel, um frei über das nachdenken zu können, was unser aller Leben am Ende erwartet. Über den Tod sprechen heißt auch, das Leben vor ihm gemeinsam zu betrachten.
Death-Cafès finden sich zwischenzeitlich in vielen Städten der ganzen Welt – in Deutschland mehr als hundert. Als Ort der Begegnungen zum Sprechen über den Tod als höchst persönliche Angelegenheit hilft, das Thema aus der Verstaatlichung des Sterbens und der kommerziellen Bestattung in die individuelle Betrachtung rücken zu können.
Bei einem Kaffee „mit dem Tod“ werden Gedanken rund um ihn, aber vor allem auch über die Wünsche der Bestattung ausgetauscht. Neben ihm als Teil des Lebens geht es dabei auch um das Wesentliche eines erfüllten Lebens davor, hauptsächlich mit seinen vielen positiven Momenten.
Caitlin Doughty als Triebkraft des „Death Positive Movement“ und Gründerin des „The Order of the Good Death“ hat mehr als andere durch ihr Studium der mittelalterlichen Geschichte mit den Schwerpunkten Kultur und Tod und durch ihre Tätigkeit als Bestatterin den besonderen Bezug zum Tod. Sie verfügt über vielfältige Erfahrungen in der Arbeit der Bestattungsindustrie. Der Umgang der Hinterbliebenen mit dem Tod im allerletzten Moment des endgültigen Abschiedes ist ihr vertraut. Auf der Suche nach alternativen Bestattungsmöglichkeiten, die die Wünsche des Verstorbenen und der Angehörigen mehr respektiert als kommerzielle Institute sie zulassen, ist sie eine Verfechterin des Abschiednehmens von Verstorbenen im häuslichen Umfeld. Caitlin Doughty fordert Zeit für die Hinterbliebenen, die sie brauchen, den Tod zu akzeptieren. Sie will aufklären, Mythen beseitigen und die Einbindung der dem Toten nahestehenden Menschen in die Tätigkeiten der Vorbereitung des Verstorbenen auf seine Bestattung als ureigenstes Anliegen erlauben.
Sie sieht die Todesangst und Nekrophobie als ursächlichen Hinderungsgrund, mit dem Tod menschlicher umzugehen. Als Bloggerin, Autorin und in Podcasts-Auftritten ist es ihr ein Bedürfnis, Aufklärungsarbeit zu leisten, um die Beteiligung am Todesprozess und die Nähe zum Verstorbenen tatsächlicher Art zu ermöglichen.
Die Zeit nutzen
Jeder stirbt irgendwann. In Liebe kann es gelingen, Wege zu finden, um die Fesseln der Verbundenheit für ein liebevolles Loslassen zu sprengen. Das erfordert Mut und die Gewissheit, dass wir die, die uns am nächsten stehen, dabei nicht verletzen. Sowohl die Angst um ihr eigenes Weiterleben als auch die Todesangst derer, die sterben, blockieren den empathischen Austausch über das Zurücklassen und -bleiben ohne Schmerz.
In der Auseinandersetzung mit der Death-Positive-Bewegung und den Überzeugungen von Caitlin Doughty findet man Impulse und Anregungen, die eigene Death-Positive-Bewegung zu finden und Berührungsängste mit dem Thema und tatsächlicher Art des Verstorbenen abzubauen. Allein die Überlegung, wie das nahe Ende menschlicher gestaltet werden kann, ist der Beginn einer Reise zu sich selbst, mit dem Ziel, eine lebenswerte Zeit mit einem guten Tod zu haben.
Das was bleibt
Es werden die Umarmung sein, der Geruch, das Gefühl der Haut und die Worte, die bleiben. Sind sie ausgesprochen, ist es gut. Wenn nicht, bleiben sie als Last zurück.
Die Death-Positive-Bewegung ermuntert und macht Mut, im Leben aktiv mit dem Ende umzugehen – im positiven Sinne. Der eigene Tod und der anderen als Teil des eigenen Lebens zu begreifen, macht frei für die rationale Auseinandersetzung mit dem Tod des anderen und der eigenen Sterblichkeit. Nicht mit angstbesetzten Gedanken belastet, sondern als das Leben bereichernd begreifen, ist sie ein Gewinn für alle. Auf den dabei entstandenen Fundus an Erfahrungen, Erlebnissen und an Dinglichen kann lange Zeit zurückgegriffen werden. Er hält jeden lebendig – auch über den Tod hinaus.
Quellen:
www.bundesverband-bestattungsbedarf.de
www.deathcafe.com
http://www.wikipedia.org